Page 115 - Heiligenhauser Magazin 3-2021
P. 115

 Betrachtungen zum Glas-Kunstwerk auf der Titelseite des Magazins.
Im abgebildeten Kunstwerk zieht die Dynamik und Dramatik im Spannungsfeld strahlender Farbigkeit und wild bewegter Bleiruten die Augen immer wieder magisch an. Was verbirgt sich innerhalb der Aussage dieser abstrakten Komposition? Ist es letzt- lich die unbegreifliche Mystik allen Seins? Verkörpern die Farben die symbolischen Inhalte der letzten Monate im Jahreslauf? Symbolisieren die dunklen braun-schwarzen Farbtöne die ganze Tragik in den Gedenkta- gen des Monats Novembers? Wird letztlich die Dunkelheit überstrahlt durch dieses kraftvoll leuchtende Rot mündend in der Reinheit des Weiß? Alles als Sinnbild der geheimnis- und verheißungsvollen Aussage der Heiligen Nacht im positiv inhaltsrei- chen weihnachtlichen Geschehen? Diese individuelle Interpretation kann im Auge des Betrachters liegen. Für den gestaltenden Künstler aber ist das Werk das Sinnbild einer apokalyptischen Version.
Das Bild steht als Glaskunstfenster fest verankert in den Mauern der Marienkapelle in innerhalb der neogotischen St. Suitber- tus Kirche in der Hauptstraße, gestaltet
und ausgeführt von Wilhelm Buschulte (1923-2013). Der gebürtige Westfale zählt zu den genialsten Sakralmalern des 20. Jahrhunderts. Seine Arbeiten sind in vielen bekannten Sakralbauten innerhalb Deutsch- lands und des Abendlandes zu finden und erregten schon früh auf internationalen Ausstellungen in Rom, Bologna, Salzburg, Paris, Wales, Chartre und vielen anderen Orten Aufsehen. Für Heiligenhaus ist es
ein ausgesprochener Glücksfall dass alle Fenster der Kirche von dem Künstler in den 70er Jahren gestaltet werden konnten. Der Glaskunstmaler stellte seine Begabung bewusst in den Dienst christlicher Verkündi-
gung. Im abgebilde-
ten Kunstwerk auf
dem Cover inter-
pretiert Buschulte
das Thema aus der
Apokalypse des
Johannes „Die Frau
und der Drache“
(Offenbarung 1-6).
Er arbeitete mit
expressiv geballter
Leuchtkraft der
Farben, deutete mit
dunklen Erdfarben und einem massiven, undurchsichtigen Schwarz, in deren Mittel- punkt brodelnd in roten Schattierungen die vom Drachen herab gefegten Himmelskör- per glühen – schlangenhaft umfangen von einem Untier: Eine geheimnisvolle Offenba- rung. Rechts oben in der Ecke ist in leicht angedeuteten abstrahierten Umrissen Maria zu erkennen, die – wie in Gott geborgen – von strahlend hellen Kreisen umgeben ist.
In diesem Kunstwerk bestimmt der fließen- de Rhythmus der dynamisch gestalteten Bleiruten den Grundduktus und entwickelt zusammen mit der expressiven Farbigkeit eine spannungsreiche Dynamik. Das ist Dra- matik pur im dynamischen Spannungsfeld von Farbe und Bleiruten. Empfehlung: Gehen Sie in den Kirchenraum, betrachten Sie das interpretationsreiche herrliche mit der geis- tig-transzendenten Ausstrahlung versehene Kunstwerk. Finden Sie ihre eigene für sie gültige Interpretation und lassen sich fas- zinieren von der Strahlkraft eines genialen Kunstwerkes, geschaffen aus dem Kopf und der Hand eines begnadeten Künstlers.
Ruth Ortlinghaus
  115
BETRACHTUNGEN












































































   113   114   115   116   117