Page 73 - Heiligenhauser Magazin 1-2021
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  Hoch schlugen die Flammen auch auf dem Berliner Opernplatz – gegenüber von der alten Universität. Aber die Bücherverbren- nung war nur der Auftakt zu mehr Greuel- taten, nämlich zur Vertreibung, Verfolgung und Ermordung. Zeitgenossen werden ohnmächtig das Geschehen beobachtet
und an das prophetische Wort von Heinrich Heine gedacht haben: „Das war ein Vorspiel nur, da wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“. Und das geschah dann auch innerhalb der nächsten Jahre millionenfach. Neben den zahlreichen Exilanten blieben in Deutschland in der soge- nannten „stummen inneren Emigration“ mit Schreibverbot Autoren wie Gottfried Benn, Werner Bergengruen, Jochen Klepper, Elisa- beth Langgässer, Jochen Klepper, Reinhold Schneider, Rudolf Alexander Schröder, Ernst Wiechert und viele andere. Einige Autoren die erst nach Jahren aus dem Exil kamen, verstummten vor Sprachlosigkeit für immer.
Und wie sah das in der Heiligenhauser Volks- bücherei aus? Der Bestand lag bei Beginn der nationalsozialistischen Ära bei 3000 Bänden. Das Domizil befand sich im neu erbauten Rathaus. Mitarbeiter und Bücher standen unter ständigen Beobachtung der Staatlichen Büchereistellen. Die hatten in einem Erlass
des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kultur und Volksbildung dafür zu sorgen „das alle Büchereien im Geiste des nationalsozi- alistischen Staates arbeiten“. Es blieb keine Alternative als sich dem Zeitgeist zu beugen. Rund 10 Prozent des vorhandenen Bestan- des mussten vernichtet werden. Die gleiche Zahl neu erworbener Bücher entsprach der Blut und Bodenliteratur der hinterwäldle- rischen und trivialsten Sorte. Die Annalen erzählen, dass die Mitarbeiter der kleinen Heiligenhauser Volksbücherei ein „Lob ob der gründlichen Säuberung bekamen“. Aber die Besucherzahlen und die Ausleihe stagnierten in den Jahren unter nationalsozialistischer Herrschaft. Nach dem Untergang des Dritten Reiches erfolgte dann die dringend notwen- dige zweite Säuberung.
Weiterführende Empfehlung: Die Else-Las- ker-Schüler Gesellschaft hat eine ausführ- liche und sehr informative Ausstellung „Die verbrannten Dichter“ zusammengestellt. Sie ist als Dauerleihgabe im Badischen Kunst- museum in Solingen-Gräfrath , einem Ort für verbannte Künstler zu betrachten
Nach Ende des Lockdowns wird das Stadt- marketing eine Führung in das Haus der verbannten Künstler anbieten .
Ruth Ortlinghaus
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